“JE JURE QUE JE VOLAIS” – DIE CHANSONS VON JACQUES BREL

Eine Kooperationsveranstaltung der VHS Bielefeld mit der Deutsch–Französischen Gesellschaft Bielefeld e. V.

Wer kennt ihn nicht – Jacques Brel, einen der größten Interpreten moderner französischsprachiger Lieder, obwohl er nicht Franzose war: Jacques Brel, Sohn eines französischsprachigen Flamen, Belgier. Kein Chansonnier vor ihm und nach ihm hat dermaßen alltäglich-existenzialistische, pathetische Texte geschrieben, ohne damit je peinlich zu wirken. Keiner hat seine Lieder so authentisch, geradezu radikal zärtlich, anklagend, genießend… aufgeführt.
Michael Wiersing Sudau hat viel zu erzählen, und deshalb startet die Veranstaltung bei einem Glas Wein oder Wasser auf seinen Wunsch sofort – ohne große Vorstellung. Er wird an diesem Abend eine Reihe bedeutender Chansons Brels vorstellen und die Hintergründe erläutern, wie die einzelnen Chansons das Licht der Welt erblickten und in die Welt hinausgingen. Die vorbereiteten Texte auf Französisch und Deutsch erleichtern das Verständnis sehr. Herr Wiersing Sudau lässt das zahlreich erschienene Publikum nachempfinden, was Brel bei der Präsentation seiner Lieder empfand. Der Interpret schlüpft wie kein anderer in die Rollen, die er darstellt, lässt das Publikum wie z.B. bei dem Lied L’IVROGNE empfinden, was er besingt.
Brel wirkt bei der Beschreibung von Alltagssituationen so authentisch, dass selbst banale Begebenheiten, die er schildert, in keiner Weise kitschig wirken.


Der Vortrag beginnt mit dem Lied LES PRÉNOMS DE PARIS, dem Klassiker, den fast alle kennen. Vorfreude, Freude, Glück, Hoffnung, Zärtlichkeit, Liebe, Zweifel, Traurigkeit, Wehmut beim Abschied … durch den Regen, das Grau der Stadt, das Adieu beim Abschied und dann wieder die Hoffnung auf eine erneute Wiederkehr sind nur einige Aspekte die im Lied interpretiert werden. Brel schrieb seine Texte selbst. Und wenn der Erzähler zwischen den Emotionen hin- und hergerissen ist, dann verkörpert Brel diesen Menschen auf der Bühne.
Er war elf Jahre alt, als der Krieg ausbrach. Sein Lied MON ENFANCE ist autobiografisch geprägt. Über diese Zeit berichtet er in vielen Facetten, und dann, in der drittletzten Zeile, schreibt er: „Und dann – kam der Krieg.“ Jeder kann seine Erfahrungen mit dem Krieg in diese Zeile legen. Aber wie in allen Liedern, gibt es auch Hoffnung, etwas Positives: Hier der Schluss des Liedes: „Tja und nun sind wir hier, gemeinsam heute Abend.“
Den Krieg und die Erlebnisse verarbeitet er in den Liedern LA STATUE und LES SINGES, die der Vortragende anschaulich erläutert. Im diesem Lied rechnet Brel mit der Menschheit ab, die seiner Meinung nach aus der Geschichte nicht viel gelernt und sich nicht weiterentwickelt hat. Wie aktuell dieser Klassiker ist, zeigt das momentane Weltgeschehen um Wiederaufrüstung.


Das Lied MADELEINE stellt Herr Wiersing-Sudau in einem Videoclip vor. Es ist ein witziges Chanson, das den Protagonisten in seinen Versuchen beschreibt, seine unerreichbare Liebe zu erobern, dem aber alles misslingt und der trotzig optimistisch in die Zukunft schaut: „Je lui dirai des „je t’aime“ et Madeleine, elle aimerait ça.“

Der Name Frida „… Et puis y a Frida. Qu’elle est belle comme un soleil, et qui m’aime pareil, que moi, j’aime Frida! » steht in dem Lied CES GENS-LÀ für die Hoffnung in einer Welt, in der man sich über andere lustig macht, deren Gefühle verletzt, die aus einem Milieu kommen, das sie nicht verlassen können. Es ist die Beschreibung der Menschen aus Nordfrankreich, wo man sehr hart arbeiten musste und mit 50 – 60 Jahren körperlich verbraucht war, wo man Fremde mit
Argwohn betrachtete – wie Fridas Eltern den Protagonisten des Chansons.


Der sehr informativ-bewegende Abend endete mit dem Lied QUAND ON N’A QUE L’AMOUR mit den Worten: « Quand on n’a que l’amour pour parler aux canons, et rien qu’une chanson pour convaincre un tambour, alors, sans avoir rien que la force d’aimer nous aurons dans nos mains, amis, le monde entier. » (Wenn man nichts anderes als die Liebe hat, um zu den Kanonen zu sprechen, und nichts anderes als ein Lied, um die Trommeln des Krieges zu überzeugen, also, wenn man gar nichts anderes hat als die Kraft der Liebe, werden wir dennoch, Freunde, die ganze Welt in unseren Händen halten.)

Marie-Lu Matzke