Musikalischer Auftakt ins Jubiläumsjahr mit Sigurd Müller (Cello) und Claudia Kohl (Klavier)
Typisch deutsch? Typisch französisch? Der Abend mit den Künstlern von hohem Rang, die in dem wunderbaren Ambiente des Hauses Wellensiek Werke von Beethoven, Offenbach, Fauré und Saint-Saëns zum Besten gaben, bescherte den Zuhörerinnen und Zuhörern nicht nur ein perfektes Klangerlebnis, sondern auch neue Erkenntnisse zu den bekannten Komponisten, auf die Sigurd Müller das Publikum aufs Vortrefflichste vorbereitete. Dabei enthüllte er so manche
aufschlussreichen Details zur Wechselwirkung zwischen Zeitgeschichte und Politik.
Beethoven, eindeutig deutsch, dachte in seiner Zeit international. Den Ruf nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit in der Französischen Revolution empfand er als Befreiung. Seine Sinfonie Eroica (die erste Bezeichnung lautete Buonaparte) schrieb er unter diesem Einfluss. Er beabsichtigte sogar, nach Paris zu ziehen. Als sich dann aber Napoleon selbst zum Kaiser der Franzosen krönte, war er über diese Rückentwicklung des politischen Systems angeblich so zornig, dass er die Sinfonie umbenannte. Aus BUONAPARTE wurde EROICA.
Die Sonatina für Mandoline und Cembalo schrieb Beethoven 1795. Und wie so häufig im Leben der großen Komponisten war eine hübsche adelige Mandolinenspielerin Inspiration für dieses Werk, das der junge Beethoven komponierte. Hélas- schade für den Komponisten: Weder die Annäherung an die junge Adelige noch die Sonatina waren erfolgreich – im Gegensatz zur Darbietung am Konzertabend, an dem Claudia Kohl und Sigurd Müller zeigten, dass dieses
eher verschmähte Werk der Jugendzeit sehr wohl ein reizvolles Charakterstück ist.
In der Sonate A-Dur op.69, die Beethoven kurz nach der Eroica schrieb, ist die Handschrift des Meisters unverkennbar und in der von den beiden Musikern dargebrachten Weise ein unglaublich einprägsames Stück.
Sigurd Müller beantwortete die Frage, wie die drei Komponisten Offenbach, Fauré und Saint-Saëns zueinander standen und in welchem künstlerischen und politischen Umfeld sie sich bewegten.
Es gab echte Feindschaften, Freundschaften, Wertschätzung, Querverbindungen und Seelenverwandtschaft über alle Grenzen hinaus. Alle drei Komponisten erlebten die Herrschaft von Napoleon III.. Paris galt in dieser Zeit als die Metropole der Musik, und nur dort konnte man Wertschätzung und Ruhm erlangen. Wagner sagte zum Beispiel: „ In Paris werden die Sinfonien Beethovens am besten interpretiert.“
Offenbach und Wagner mochten sich nicht und sparten nicht mit gegenseitigen Beleidigungen. Da nutzte es auch nichts, dass Wagner nach Offenbachs Tod zugab, dass sein Rivale ein zweiter Mozart sei, den man nicht kopieren könne. Auch Berlioz und Wagner standen sich offen feindselig gegenüber.
Die nationalistischen Tendenzen wurden immer deutlicher. Der Krieg von 1870/71 war der Höhepunkt dieser Bestrebungen. Er zerstörte sehr viele wertvolle Verbindungen und Entwicklungen zwischen den Komponisten und schuf tiefe Gräben.
Gemeinsam war den drei Komponisten Offenbach, Fauré und Saint-Saëns, dass sie nicht nur untereinander einen kollegialen Kontakt, sondern auch die Liebe zur Kombination von Cello und Klavier pflegten. Und diesem Umstand ist es zu verdanken, dass wir an dem Konzertabend so außergewöhnliche Musik virtuos präsentiert bekamen.
Von Jacques Offenbach, einem angesehenen Cellisten, der die Damen un Herren der Pariser Salons begeisterte, bevor er die musikalische Landschaft mit seinen Ideen auf den Kopf stellte, hörten wir das sehr berührende Stück für Klavier und Cello Les Larmes de Jacqueline, von Claudia Kohl und Sigurd Müller sehr einfühlsam gespielt.
Faurés Vorliebe für die tiefen Töne erfüllte den Raum bei den Stücken Elégie, op.24, Sicilienne und Après un rêve, ein schwärmerisch zärtliches Stück, das Gabriel Fauré ursprünglich als Lied an seine Geliebte komponiert hatte. Es war, als ob man in einen Traum eintaucht.
Das temperamentvolle Stück Allegro Appassionata, op. 43 bildete den Schlusspunkt des Konzerts. Die Zeit war viel zu schnell vergangen, so kurzweilig war das Programm.
Waren die gespielten Werke bisher für Cello und Klavier geschrieben und präsentiert, folgte als Zugabe das berühmte Stück LE CYGNE – DER SCHWAN aus dem Karneval der Tiere von Saint-Saëns, das einzige Stück, das der Komponist nur für das Cello geschrieben hat. Es war überwältigend, wie man mit dem Cello das Plätschern des Wassers und die Leichtigkeit der
Schwanenbewegung ausdrücken kann.
Ein anspruchsvolles, kurzweiliges, informatives und unterhaltsames Programm, das das Deutsch-Französische sehr einfühlsam herausstellte, bescherte dem Publikum einen wunderbaren Abend. Es dankte den beiden Künstlern Claudia Kohl und Sigurd Müller mit einem sehr lang anhaltenden Applaus. Merci für dieses außergewöhnliche Konzert!!!
Marie-Lu Matzke


